Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat in vielerlei Hinsicht weitreichende Folgen, nicht nur für Europa. Es war immer wieder die Rede von einer neuen Zeitrechnung, nicht nur was die außenpolitische Denkweise Europas anbelangt. Europa sei seit dem frühen Morgen des 24. Februar nicht mehr das selbe, hörte man viele Politiker sagen. Die wirtschaftlichen Auswirkungen sind rund zweieinhalb Wochen nach Kriegsbeginn für Jedermann spürbar. Russland ist inzwischen das am stärksten sanktionierte Land der Welt. Die hiermit verbundenen Preissteigerungen werden ganz besonders an einem Ort sichtbar: An der Tankstelle. Die Benzin- und Dieselpreise sind auf nie dagewesene Rekordniveaus gestiegen, die für Verbraucher schon nach wenigen Tagen und Wochen zum Problem werden. Lagen die Dieselpreise in Deutschland zu Beginn des Jahres 2022 noch bei rund 1,65 Euro pro Liter, sprechen wir heute, Mitte März 2022 über einen Literpreis von 2,35 Euro. Das entspricht einer Preissteigerung von über 40 Prozent in nur zehn Wochen. Gleiches gilt für die Preise von Benzin, Heizöl, Erdgas und anderen Rohstoffen. Und das, obwohl die Lieferungen von Öl und Gas aus Russland noch immer planmäßig erfolgen. Was passiert also erst – und es geht hier nicht um die Frage, was vor dem Hintergrund des Krieges ethisch richtig wäre – sollte Russland den Gashahn abdrehen oder die EU sich dazu entscheiden, Energieimporte aus Russland zu stoppen? Die Abhängigkeit Europas von Russland in puncto Energie, das ist nach unzähligen Medienberichten der letzten Tage jedem klar, ist verheerend.
Experten sind sich schon heute sicher, dass sich die Geschehnisse in diesem Jahr sicherlich in die Reihe der historischen Energiepreisschocks der Geschichte eingliedern werden. 1973 und 1979 waren es rasante Ölpreisanstiege, die zu Wirtschaftsschocks und am Ende zu verheerenden Rezessionen geführt haben. Dass auch diesmal, ganz besonders in Europa, eine Rezession die Folge sein wird, ist für viele Experten bereits ausgemacht. Die Frage ist nur, wie heftig sie sein wird. Dies wird vor allem davon abhängen, was mit der Öl- und Gaszufuhr nach Europa geschehen wird. Eine weitere Eskalation ist durchaus möglich und würde das Energiepreisgefüge und damit auch die globalen Lieferketten nochmal massivst erschüttern. Sogar für die USA, die energietechnisch wesentlich unabhängiger und deren Wirtschaft deutlich robuster aufgestellt ist als Europa, rechnen führende Investmentbanken inzwischen mit einer über 30-prozentigen Wahrscheinlichkeit einer Rezession in 2022.
Letzteres führt uns unmittelbar zum wichtigsten Nachrichtentermin des Monats, dem FED-Meeting am kommenden Mittwochabend. Bis dato war sich der Markt darüber einig, dass die FED den Leitzins sehr sicher mindestens um 25 Basispunkte anheben wird. Ob die Entwicklung in Osteuropa, deren Auswirkungen sich bereits auf die ganze Welt erstrecken, daran was geändert haben, werden wir erst am Mittwochabend sehen. Fakt ist: Die Inflation wird nicht weniger stark steigen. Die FED hat den Auftrag in erster Linie für Preisniveaustabilität zu sorgen. Somit hat sie im Normalfall keine Wahl: Die Inflation gehört bekämpft, auch wenn die geldpolitischen Instrumente in dieser Situation nicht wirtschaftsdienlich sind.
Veröffentlicht am 13.02.2022